Flüchtlinge, Religionskonflikte und Integration

Pibach

Moderator
Das Thema kam in der VW-Diskussion auf, siehe Zitat von lucius-seneca nachfolgend. Ist zwar sehr weit weg von Falträdern, aber wir sind hier ja auch in der Off-Topic Lounge, da kann man ja mal aktuelle politische Themen diskutieren. Ich habe auch mit Spannung die Neuerscheinung von Abdel-Samad verfolgt. Und seinen Auftritt gestern in Hart aber Fair.

Sein Mohammed Buchgeht ja davon aus, dass die islamische Überlieferung historischen Tatsachen entspräche. Das hatte ich bisher auch immer angenommen. Sehr erstaunt hat mich bei der Recherche, dass das wohl gar nicht der Fall ist. Siehe "Saarbrücker Schule":

"Die Saarbrücker Forscher stellen fest, dass die muslimische Tradition bis in die Gegenwart nicht an kritischer Quellenforschung interessiert ist, die Überlieferungen (Hadithe) von heilsgeschichtlichem Interesse geleitet sind und somit mythische Erzähltexte im Sinne einer narrativen Theologie darstellen. Aus den ersten zweihundert Jahren islamischer Zeitrechnung seien keine außerislamischen Quellen bekannt, die über einen Propheten Mohammed und eine Religion namens Islam berichten.

Der Iranist und Archäologe Volker Popp schließt aus numismatischen, ikonographischen und epigraphischen Zeugnissen des 7. und 8. Jahrhunderts, dass Arabien damals noch christlich geprägt war."


lucius-seneca schrieb:
Jeder, der in irgendeiner Weise mal etwas mit Muslimen zu tun hatte, macht sich Gedanken darüber, wie diese Menschen sich möglicherweise und in welcher Art sich in unsere Gesellschaft integrieren werden.

Ich hatte den Vorteil in meinem zweiten Studium der Ökonomie, einen Mit-Kommilitonen zu haben(in meiner Arbeitsgruppe Recht), der dem sunnitischen Glauben angehörte.

Mein Vorteil war, daß er eine außerordentlich liberale Grundhaltung hatte - was, wie er meinte, eine absolute Ausnahme war.

Sein Heimatland war Ägypten.
Seine Meinung war, daß in einem orthodoxen Islam der "Faschismus" schon unbedingt immanent vorhanden ist - eine "CONDITIO SINE QU NON".

Er hat mir von den christlischen Kopten in Ägypten erzählt, die ursprünglich die Mehrheit der Bevölkerung darstellen und die die Vermischung mit den Muslimen im christlichen Sinne zugestimmt hatten.

Die Muslime errangen dann die Bevölkerungsmehrheit und unterdrückten dann die Christen in barbarischer Weise.
Dies ist überall nachzulesen und nicht zu widerlegen.

Ursprüngliche Mehrheit? Du meinst vom 1.-7. Jahrhundert?
In der Intoleranz gegenüber Andersgläubigen nehmen sich die monotheistischen Religionen nicht viel. Die abrahamitischen Religionen sind ohnehin sehr stark verwand. Und die Verwandschaft von alleinigen Wahrheiten, Absolutismus und Faschismus ist ja auch augenscheinlich.

Zu Ägypten: da bin ich zufällig aufgewachsen. Und - damals - war das Verhältnis zwischen Kopten und Moslems sehr entspannt.

Die Re-Islamisierung ist ein zeitgenössisches Phänomen, das in Ägypten ab circa Mitte der 90er Jahre griff. Noch bis Ende der 80er Jahre war Ägypten eher säkular-westlich orientiert. Siehe auch dieses Video:

[youtube]-JbdgKXVIu0[/youtube]
 
"Arabisch-moslemische Eroberung
Die moslemische Eroberung Ägyptens fand 640 nach Christus statt, bis dahin war Ägypten koptisch-christlich. Trotz des politischen Aufruhrs verblieb Ägypten ein überwiegend christliches Land, obwohl die durch Diskriminierung bedingten schrittweisen Konversionen zum Islam über die Jahrhunderte Ägypten von einem hauptsächlich christlichen zu einem hauptsächlich moslemischen Land wandelten; am Ende des 12. Jahrhunderts bildeten die Muslime erstmals die Mehrheit.
"
Quelle
 
Adler28 schrieb:
Keineswegs. Du unterschlägst Re, Osiris, Chons und viele andere. Also den weitaus größten Teil der Ägyptischen Geschichte.

Klar, die Zeit vorher ist hier ausgeklammert.

Wobei die Zusammenhänge da sehr interessant sind:

Wenn man so will ist die Christusgeschichte nichts anderes als eine Umerzählung der altägyptischer Horus-Geschichte. Und die koptisch-christlich Entwicklung also eine Fortsetzung ursprünglicher Kulte.

Hier dazu eine Zusammenfassung. Basiert wohl überwiegend auf Tom Harpur, Pagan Christ:
"He argued that all of the essential ideas of both Judaism and Christianity came primarily from Egyptian religion."

Sehr überzeugende Zusammenstellung zwischen archaischen Sonnenmythen und Jesus als "Sonne Gottes" findet sich hier (wobei man allerdings die Islamische-Intention der Seite überlesen sollte), hier, hier oder hier. Ähnliche Ideen beschreibt der (konspirative) Film Zeitgeist.
 
Pibach schrieb:
Wenn man so will ist die Christusgeschichte nichts anderes als eine Umerzählung der altägyptischer Horus-Geschichte. Und die koptisch-christlich Entwicklung also eine Fortsetzung ursprünglicher Kulte.

Das es Parallelen zwischen Antiker und Christlicher Mythologie gibt ist sicherlich unbestritten. Dein zweiter Satz der eine inhaltliche quasi bruchlose Kontinuität der Glaubensgeschichte behauptet ist hingegen grundfalsch. Im Unterschied zur antiken Welt ist das Christentum als Verkündigungsreligion (genauso wie die verwandten Judentum und Islam) nicht hinterfragbar und steht damit in direkter Opposition zu antikem Denken. Die frühen Christen standen vor dem Problem als Glaubensgemeinschaft - von der an sich in Glaubensfragen liberalen antiken Gesellschaft - nicht akzeptiert zu werden, da ihrem Glauben die systematische Logik fehlte. Die vielen Merkwürdigkeiten der christlichen Glaubenslehre beruhen unter anderem auf dem Versuch den unlogischen, verkündeten Glauben mit antikem, auf Logik gegründetem Denken kompatibel zu machen. Der idealisierende Rückgriff auf die Antike als Wiege der christlichen Kultur erfolgte erst nach deren vollständigen Vernichtung durch christliche Herscher.
Die koptischen Christen befanden sich als Monophysiten zum Zeitpunkt der Ausbreitung des Islam übrigens in einem erbitterten Streit mit der orthodoxen Reichskirche, der auf dem Staatsgebiet des oströmischen Reiches durchaus auch mit Waffengewalt ausgetragen wurde.
Das man nun den Schulterschluss mit den einst als Häretikern verdammten sucht ist zwar begrüßenswert, ist aber leider eher ein Beleg von Geschichtsvergessenheit als von christlicher Nächstenliebe.
 
ja, gute Zusammenfassung.
Die Kopten (=Ägypter) sehen sich selber allerdings in der Tradition der alten Ägypter.
Wobei in die Entwicklung - nicht ohne Brüche - wohl 3 wichtige Faktoren reinspielten:
1) die Nähe zur ägyptischen Horus/Isis-Mythologie,
2) die Spannung zum byzantinischen Christentum und
3) Verwandschaft zum orientalischen Christentum - aus dem sich offenbar der Islam entwickelte.
 
Also ich glaube nicht, das man sich 3000 Jahre Geistesgeschichte mal eben ergoogeln kann. Das klappt ja noch nicht mal bei Fahrradtechnik so richtig ohne entsprechenden background.
 
katapult schrieb:
Also ich glaube nicht, das man sich 3000 Jahre Geistesgeschichte mal eben ergoogeln kann.
Für die Beurteilung der aktuellen Situation ist aber auch ziemlich egal was vor ein paar tausend Jahren vll. mal irgendwo wie war (auch wenn es interessant ist). Das zählt, wer heute warum wie denkt - und das ist schon schwer genug zu beantworten weil überhaupt nicht einheitlich. Extem verallgemeinernde Ansätze wie "der Islam", "das Christentum", "die irgendwas" sind da zum scheitern verurteilt. Das wäre allerdings wieder etwas, das man aus der Geschichte lernen kann.

Mac
 
Moin,
Vor allem fehlt bei dem Hinweis auf die Geschichte von Christen und Muslimen in Ägypten, daß es erstere waren, die mehrere Hundert jahre lang etwa so gewütet und geherrscht hatten, wie heutzutage die Taliban oder der IS oder die roten Khmer.
Die z.b. die größte Bibliothek der damaligen Welt, die "Große Bibliothek von Alexandria" in ihrem fanatisch-religiösem Machtanspruch vollständig zerstörten. Jegliches wissenschaftliches Arbeiten und Denken als Teufelswerk brutal verfolgten.
Gut möglich, daß viele Ägypter damals die arabischen Muslime als Befreier von den Christen sehr wohlwollend begrüßt hatten.
Ich habe, nicht ganz zufällig, auch einen klugen Ägypter, Atheist und libertärer Geist, kennengelernt, der als Krigsdienstverweigerer dort im Knast war, von dem ich vieles über die dortigen Muslimbrüder, die Militärs, die gesellschaftlichen und Machtverhältnisse erfahren habe.


Gruß Karsten
Fahrrad fährt Fahrbahn
 
Karsten schrieb:
Die z.b. die größte Bibliothek der damaligen Welt, die "Große Bibliothek von Alexandria" in ihrem fanatisch-religiösem Machtanspruch vollständig zerstörten. Jegliches wissenschaftliches Arbeiten und Denken als Teufelswerk brutal verfolgten.

Ich finde die Analysen von Bergmeier dazu sehr aufschlussreich, z.B. diese "Requiem für die antike Kultur, 2009".

Die genaue Vernichtung der Buchbestände von Alexandria ist aber wohl nicht ganz geklärt und fand über verschiedene Etappen statt.
 
Braucht es eine Libanesin, um das Problem so klar anzusprechen, ohne die üblichen Stereotypen?
http://www.tagesspiegel.de/politik/erfahrungen-aus-dem-libanon-es-ist-unklug-so-viele-fluechtlinge-aufzunehmen/12490358.html
 
Pibach schrieb:
Braucht es eine Libanesin, um das Problem so klar anzusprechen, ohne die üblichen Stereotypen?
http://www.tagesspiegel.de/politik/erfahrungen-aus-dem-libanon-es-ist-unklug-so-viele-fluechtlinge-aufzunehmen/12490358.html
Ich finde den Text nicht klar. Was ist denn die genaue Aussage dort? Ich seh da nur vieldeutige Andeutungen.

Mac
 
Ob es wirklich etwas nützt, daß nun eine Frau aus diesem Kulturkreis diese Sicht ihrer Dinge darlegt - ich bin mir da nicht so sicher.

Deutschland ist gerade dabei - und da ist nicht nur die Flüchtlingskrise daran schuld -sich nachhaltig abzuschaffen.

Meiner Meinung ist dies alles eine kollektive Unvernunft, die da gerade stattfindet.
Die Irre im Kanzleramt hat diese Eigendynamik in Gang gesetzt; ich hätte dies nie für möglich gehalten.

Aber wenn man die Wahrheit ausspricht, so wird man sofort in die "rechte Ecke" gestellt - mir ist das schon so egal, ich sage das, was ich denke.

Die allermeisten hier im Lande tun das nicht - sie denken anders als sie sprechen; wir sind ein Volk der Heuchler geworden.

Ich bin nicht gerade unvermögend und habe Verwandte in den USA - wenn hier in Deutschland alles kollabiert, werde ich mein Vermögen, was ich als Auch- Ökonom meistens in wertbeständiges Edelmetall besitze(real) so nutzen, daß ich meinen Wohnort nach Amerika verlege.

Man braucht keine übermäßige Intelligenz zu besitzten, um zu erkennen, was gerade in Deutschland abgeht - aber es wird geredet, debattiert, diskutiert; jedoch konsensfähig sind sie alle nicht.

Um die Wahrheit zu erkennen, benötigt man nicht die Meinung der Presse, welche ohnehin nicht wahrheitsgemäß ist.

Es gibt Grundwahrheiten(Axiome), über die man als denkender Mensch "A PRIORI" verfügt - sie entstammen der ursprünglichen Vernunft und nicht einer trügerischen Erfahrung und schon gar nicht einer lügnerischen Pressemitteilung. Dafür braucht man nicht Philosophie studieren.

Ich bin mir ziemlich sicher, daß die meisten dies wissen - nur was nützt es, wenn alle wissen wie es geht, aber keiner will es machen.
 
Es war unklug es überhaupt so weit kommen zu lassen. Das ist jetzt aber leider nicht mehr zu ändern. Wie man mit der Situation jetzt besser verfahren soll wird leider nicht gesagt. Natürlich ist das auch viel schwieriger als so ein griffiger Allgemeinplatz.
Und lucius "Lügenpresse" Seneca soll sich so schnell wie möglich vom Acker machen, außer xenophoben Stereotypen und nebulösem Raunen, das man in Anbetracht der Gewalteskallation der letzten Wochen durchaus auch als Drohung verstehen kann, kommt da eh nichts. Das ist ja das eigentliche Problem mit Pegida und co. Im Prinzip gehen Sie auf die Strasse (oder schreien in Onlineforen rum) um ein Recht auf Rassismus und Fremdenfeidlichkeit zu reklamieren. Zum Glück geht das mit unserer Verfassung nicht.

Zitat Heiner Flasbeck:

... "Alles, was jenseits des konservativen Dreiklangs von Familie, Heimat und „deutschen Werten“ liegt, kann und will eine solche Partei (AFD) nicht behandeln, weil es sie sofort zerreißen würde. Das ist die eigentliche Gefahr für die Demokratie, die von solchen Parteien ausgeht. Weil ihre Botschaften extrem schlicht sind, ist eine offene Auseinandersetzung mit anderen politischen Richtungen von vorneherein nicht vorgesehen. An solchen Parteien prallt jede Form des demokratischen Diskurses ab, weil die Anhänger sich gar nicht auseinandersetzen wollen. Sie wählen diese Partei ja genau aus dem Grund. Sie gibt ihnen Schutz gegen Argumente von außen und schafft eine innere Rechtfertigung für jeden einzelnen, weil sich „so viele ja nicht irren können.
PEGIDA ist nur eine extreme Form dieses nationalen Autismus. "
 
Da ein solcher Thread Trolle und Extremisten aller Fraktionen geradezu magisch anzieht sollte "man" sich auch gut überlegen, ob man in einem öffentlichen Forum über solch ein Thema in einem Faltradforum unbedingt "plaudern" muss.
Ich finde -nein-.

Nicht weil das Thema es nicht wert wäre oder nicht interessant, sondern weil es vorhersagbar abdriften wird. Bis jetzt haben wir noch Glück gehabt.....ist aber nur eine Frage der Zeit.
 
Motte schrieb:
...ob man in einem öffentlichen Forum über solch ein Thema in einem Faltradforum unbedingt "plaudern" muss.
Was "muss" man schon?
Soweit ich das kenne haben praktisch alle Fach-Foren in ihren Off-Topic Fäden solche Themen.
Und gerade Konfliktstoff wird ja auch gerne aktiv gesucht und befeuert.
Siehe "...vom Acker machen... xenophoben Stereotypen...nebulösem Raunen..Drohung...kommt da eh nichts....Pegida"
 
also ich muss da nichts suchen. Deutschland schafft sich ab, Lügenpresse, vom Volk aufs Maul, die Irre im Kanzleramt, Islam = Faschismus usw. springen mir leider direkt ins Auge. Wenn man dann noch demokratische Findungsprozesse als sinnloses Gequatsche bezeichnet ist man von der Diffamierung des Parlaments als Quasselbude nicht mehr weit entfernt. In welchem politischen Sprachraum lucius seneca sich damit bewegt muss ich wohl nicht weiter ausführen. Leider verhindert diese permanente Zündelei eine sachliche Auseinandersetzung mit den gewaltigen Problemen die es zu lösen gilt. Da ich allerdings auch kein einziges Forum kenne in dem das funktioniert wäre es mir auch lieber gewesen der Faden wäre sanft entschlummert. Ich hab ihn jedenfalls nicht wieder hochgeholt, von wegen aktiv befeuern und so.
 
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