Die Frische des naiven Ersteindrucks geht schnell verloren,
sobald man ein Faltrad sein eigen nennt.
Man kann sich kaum noch an das jungfräuliche Herantasten erinnern,
an den Neuling, der man noch vor kurzem war;
und der ganze Blickwinkel des neugierigen Interessenten verschiebt sich
in die Routinen des Selbstverständlichen,
in die Wiederholung und das Wiederkäuen dessen,
was man schon immer gesagt, gedacht, getan hat.
Eingeschworener Markenbotschater ist man,
als ob es gälte, Reviere abzustecken und zu verteidigen.
Noch bin ich nicht soweit,
fühle aber schon die kommende Expertin in mir,
und möchte daher noch schnell in aller Unschuld
meine Ersteindrücke festhalten für diejenigen,
die sich wie ich an faltbare Mobilität herantasten.
Gänzlich unqualifiziert ist das,
was ich jetzt schreibe, nicht,
auch wenn die alten Recken ihren gewaligen Erfahrungsschatz
und schwer ersessenen Besitzerstolz gegenreden werden,
dieweil ich mich an des Vaters Worte halte:
'Du musst die Flasche nicht austrinken, um zu merken, ob Dir der Wein schmeckt.'
Ich finde, Probefahren liefert schon eine Menge Informationen.
Man kommt rum, plaudert mit vielen Menschen und dreht kostenlose Runden.
Ich würde Probefahren sogar denen empfehlen,
die gar keine Kaufabsicht haben: Ist wesentlich unterhaltsamer, als ins Kino zu gehen.
Nun denn.
Brompton
Ich bin sechs Bromptons probegefahren, in verschiedenen Farben, aber nur zwei Schaltungsausführungen: 3- und 6-Gang. Ersteres war ok, letzteres völliger Anachronismus: Mit einer Art Wipp-Konstruktion muss man runterschalten um hochzuschalten und umgekehrt. Ich bin ständig im falschen Gang gefahren und habe dann überhaupt nicht mehr die Gänge gewechselt.
Das Brompton war das erste Klapprad, das ich gefahren bin und ich war baff überrascht, dass man damit tatsächlich fahren kann: Man tritt und kommt voran! Daher ist das Brompton, wie die erste Liebe, bleibender Sympathieträger.
Das Brompton hat vorne am Steuerrohr einen Adapter, daran man eine Tasche einhängen kann. Ich habe dasselbe Prinzip an meinem Hauptrad und finde es oberpraktisch. Alles, was man so mitschleppt, wirft man dort einfach rein und nimmt es wieder heraus nach Bedarf. Man hat seine Siebensachen immer im Blickfeld und mit einem Klick ist die Tasche unter dem Arm. Lange war ich dem Brompton sehr gewogen, nur wegen dieser Transportoption.
Das Brompton läßt sich gut falten und nimmt vergleichsweise wenig Platz ein. Es benötigt keinen Seitenständer, weil sich der Hinterbau in nullkommnix einklappen läßt. Das ist prima.
An allen sechs Bromptons hatte das Lenkkopflager Spiel. Wenn man die Vorderradbremse angezogen hat, hat das Vorderrad hin- und hergenaggelt.
Das Brompton fährt sich schlecht. Das habe ich erst gemerkt, als ich andere Räder gegengeradelt bin: Dieselbe Strecke einmal mit Brompton, einmal mit xy. Da ist meine Brompton-Euphorie merklich abgeklungen und ich habe überlegt, wofür ich ein Klapprad wirklich brauche. Zum Falten oder zum Radfahren?
Das Brompton hat Stil, schaut aber aus der Nähe nicht wertig aus, sondern billig, kostet jedoch reichlich. Es hat Charakter, wirkt aber plüschig und alt. Esprit finde ich an ihm nicht.
Ich frage mich, warum die GrandeNation der Radfahrtradition kein ordentliches Faltrad zustande bringt. Oder die Italiener mit ihrem Faible für Design und großartigen Entwürfen auf dem Automobilsektor und in der Mode.
Unabhängig von Technik und Fahren habe ich mich dann gefragt: Paßt das Brompton zu mir? Bin ich ein Brompton-Typ? Werde ich mich darauf wohlfühlen, werde ich mich auf Ausfahrten freuen?
Ich habe mir dann die Videos der Brompton-Challenge angeschaut und die vor Anstrengung verzerrten Gesichter der Protagonisten, die nur freudestrahlend lächeln, wenn ihnen eine Kamera vor das Haupt schlägt und insgesamt dachte ich: Das sind unglücklich strampelnde Menschen. Die leiden an ihren Bromptons und an der unsäglichen Mühe fremdauferlegter Mobilitätszwänge. Die fahren, weil sie müssen, nicht, weil sie wollen.
Dann bin ich mit einem Brompton in eine Straßenbahnschiene gekommen und habe mir gesagt: Ich brauche was mit dicken Reifen. Das war's dann.
Bernds
Das Bernds war das Rad, das sich von allen Falträdern am besten fahren ließ.
Ich habe praktisch keinen Unterschied zu meinem Hauptrad bemerkt.
Das Bernds hat so dicke Reifen, da können einem Schienen aller Art egal sein.
Es war schwer und lag satt auf der Straße.
Das Kurvengefühl war das Gegenteil vom Brompton, wo man denkt, gleich kippt man um.
Kein Schlingern, kein Zittern, kein Wackeln.
Alles fest und solide.
Faltrad-Fahren hat mir mit dem Bernds am besten gefallen.
Es ist exorbitant teuer, hätte dort im Laden 2800 Euro gekostet
und wirkte auf mich insgesamt völlig unästhetisch.
Andersherum: Ich finde das Bernds klobig, wuchtig und häßlich.
Nie im Leben würde ich das in seiner technischen Anmutung wohl auf eine bestimmte Zielgruppe hin entworfene Faltrad, ich tippe: Männer, stolz meinen Freundinnen vorführen wollen. Ich würde mich schämen. Designpunkte: Null.
Ich hatte das Bernds auch im Kofferraum und dachte mir: Gut, Zahnbürste und Scheckkarte kriegt man noch mit. Das Bernds nimmt viel Platz ein.
Ich habe mit dem Bernds kurz geliebäugelt, weil es ein hiesiges Erzeugnis ist und ich den Herrn Bernds von den Videos her ganz sympathisch fand;
und ich überlege schon, wo mein Geld hingeht und wen ich mit einem Kauf unterstütze und wen nicht.
Aber: Mir müssen die Dinge gefallen, die ich erwerbe und das Bernds gefällt mir nicht.
Pegasus
Das Pegasus bin ich auch gefahren, aber nicht richtig und nur auf Teppich.
Die haben da oben einen riesigen Ausstellungsraum, da kann man im Kreis herumfahren und immer klimatisiert und dazu regengeschützt.
Ich habe mir unabhängig vom Rad gesagt: In solchen Verkaufsräumen kaufst Du nichts.
Das war irgendwie wie beim Hamburger-Bräter.
Alles sofort zum Mitnehmen und alles praktisch irgendwie identisch.
Das Pegasus hätte nur 299 Euro gekostet und kurz habe ich überlegt,
ob es nicht sinnvoll wäre,
erst mal wenig zu investieren und zunächst mal Erfahrungen zu sammeln.
Später könnte man sich dann gezielt dem Wunschobjekt nähern.
Ich habe auch diesen Gedanken verworfen und dem Pegasus nicht mal bei einer ordentlichen Probefahrt Gelegenheit gegeben, sich zu beweisen.
Ich weiß gar nicht mehr, mit welchen Vorurteilen ich mich dem Pegasus genähert habe.
Vielleicht hat mich nur geärgert, dass man den schönen Namen 'Pegasus' mit seinem tiefen Mythos für solch ein popeliges Klapprad verwenden muss.
Das Fahren auf Teppich ist übrigens ziemlich lautlos. Dafür hört man dann die Quietschgeräusche von Kette, Bremsen und Rädern überdeutlich heraus. Ich dachte mir, ich fahre jetzt Probe nur noch auf Teppich: Nur da hört man, was die Straße ansonsten verschluckt. Ein echter Qualitäts-Test.
Das Pegasus gibt es in schwarz und silber.
Dahon
Ich bin zwei Dahon gefahren.
Eines mit Naben-, eines mit Kettenschaltung.
Ging gut.
Ich bin problemlos ums Karree gekommen.
Das Dahon bin ich erst spät in der Abfolge der Proben gefahren
und ich glaube, dass ich mich zu diesem Zeitpunkt innerlich und unbewußt bereits für eine andere Marke entschieden hatte und dem Dahon daher mit mangelnder Aufmerksamkeit begegnet bin.
Ich habe mir dann gedacht, dass es von ausschlaggebender Bedeutung ist,
in welcher Reihenfolge man seine Probefahrten unternimmt und keineswegs beliebig.
Ich kann daher allen Interessenten nur raten,
nicht einfach wahllos draufloszuradeln,
sondern vorab genau zu planen,
mit welchen Rädern man beginnt und mit welchen man endet.
Denn unsere Wahrnehmungen und Urteile und Entscheidungen färben sich bereits ein durch die Rhythmen und Strukturen, in denen die Dinge präsentiert werden und nicht allein durch die Dinge selbst.
Das weiß jeder, der schon mal den Finger vom warmen ins kalte Wasser getaucht hat und umgekehrt. Wasser und Wärme sind niemals einfach nur eine Gradzahl und ein molekularer Zustand. (Deswegen sind auch die ganzen Entfaltungsberechnungen nachrangigen Aspektes.)
Grundsätzlich gilt: Der Ersteindruck erhält überproportional viel Gewicht, da mag alles Nachfolgende besser sein, das Erste behält seinen Bonus.
Das wirkt sich, klar, finanziell aus.
Also legt sich der kluge Käufer das Teure nach hinten.
Von den Dahons ist mir also nicht viel in Erinnerung,
nur dass sich beide butterweich schalten ließen und ich ob dessen überrascht war.
Nicht gefallen hat mir der mittige Klappmechanismus, also mehr das Mittige als der Mechanismus selbst.
Das eine Dahon sah ganz schnittig aus, nach mattem Edelstahl irgendwie und ich dachte mir,
da kannst du damit nicht fahren. Schließlich hat man seriöse Ansprüche an sich, man ist ja kein junges Mädel mehr.
Beide Dahons hätten um die 500 und 800 Euro gekostet.
Ich empfand sie als völlig unauffällig und dachte mir,
dass das wahrscheinlich ganz brauchbare Alltagsräder wären,
auch wenn das Faltmaß bei weitem nicht an das Brompton hingereicht hätte.
Ich finde, dass sich 'Dahon' im Deutschen lautmalerisch schlecht aussprechen läßt.
Die Endsilbe wird guttural verschluckt bis ins Unverständliche und ich habe mir die zahlreichen Nachfragen ausgemalt: 'Was fährst Du noch mal?', sobald ich stolz verkünde: 'Ich hab' jetzt ein Daoon!', oder: 'Ich hab' jetzt ein Daooon dahoam.'
Ich dachte mir, das tust du dir nicht an.
'Brompton', da ist immerhin Schwung und Kraft in der Stimme,
aber 'Daooon', das verschwindet in Unscheinbarkeit.
Wie der Name, so das Rad, sagte ich mir und habe mich umentschieden.
Birdy
Nach dem Brompton bin ich ein Birdy gefahren und das war wie eine Offenbarung.
Wenn das Brompton ein Hollandrad ist, ist das Birdy ein MTB.
Eine Offenbarung war dann auch ein Blick in die Preis- und Aufpreisliste und ich sagte mir,
sowas kriegen nur die Deutschen zustande, weil ich mich an den ersten Japaner meines Vaters erinnerte, der all das schon drin hatte, was es bei Benz und BMW nur mit Aufschlag gab.
Ich habe auch gelesen,
dass der Hersteller nur über seine Händler kommunizieren würde und Anfragen unbeantwortet blieben.
Eine Firma, dachte ich mir, die sich ihre Kunden so auf Distanz halten will,
ob das die richtige Adresse ist?
Ich finde Information, Service und Kontakt sind wichtig.
Das haben nicht nur die Geheimdienste aller Welt kapiert,
sondern auch ich.
Wer mir die Türen schließt, daran gehe ich vorbei.
Ich bin nach dem Birdy zu Besuch beim Pegasus gewesen;
solche Nähe ist dem Pegasus gar nicht gut bekommen.
Man kann dem Birdy schon ansehen,
worin man sein Geld versenkt.
Der simpel und großzügig höhenverstellbare Lenker etwa,
der das Birdy zum Familienrad macht,
ist etwas, wofür ein Ingenieur nicht sooo viel Grips braucht.
Warum gibt es sowas also nur beim Birdy?
Oder die schwungvolle Zeichnung des Rahmens?
Ist das Ding nicht kess?
Hat sich der Konstrukteur nicht etwas dabei gedacht?
Ist das Birdy nicht eigentlich ein echter Entwurf?
Eine realisierte Idee, mehr als eine bloße Zusammenstückelung von Baukastenteilen?
Ja, das Birdy hat was.
Es sind eher die Rahmenbedingungen,
der Zwangsaustausch von Bauteilen,
die Zwangsinspektionen im Zusammenhang mit Garantieansprüchen,
es geht immerhin um Fahrräder und nicht um Castor-Behälter,
die mir Riese und Müller unsympathisch machen.
Und die Preise natürlich.
Dafür hat mir das Video gefallen,
darin der Konstrukteur auf einem Parkplatz peinliche BMX-Runden dreht,
vergeblich versucht, das Vorderrad einigermaßen in der Luft zu halten
und außer ovalem Kreisen eigentlich nichts zu Wege bringt.
Aber immerhin: Es menschelt.
Was mir das Birdy auch sympathisch macht: Der Hass derer, die es nicht mögen.
Ist eine alte Trotzreaktion: Mir gefällt sofort, was allen anderen nicht gefällt.
Auf youtube findet man dazu ganz hinterfotzige Sachen.
Da tut mir dann sogar der Hersteller leid, weil das ist unfair.
Ich habe auch überlegt,
dass es möglicherweise für den Kunden von Vorteil ist,
wenn ein Hersteller, statt zwanzigfacher Modellpalette mit entsprechender Ersatzteilbeschaffungsbevorratungsnotwendigkeit,
eher ein reduziertes Angebot präsentiert.
Überschaubar und kontingent.
Das Birdy fährt sich gut, die Federung neutralisiert den Effekt der kleinen Räder ins Unauffällige,
auch die Faltung ist handhabbar in Modus und Zustand.
Es fährt sich agil, fast überwendig.
Insgesamt wäre das Birdy die gute Mitte der Falträder.
Nirgendwo, weder im Faltmaß, noch im Fahren Extraklasse,
in Summe aber wiederum einzigartig.
Leider wie oft im Leben,
holt man sich mit dem ansehnlichen Gatten, der vorzüglichen Gattin zugleich auch eine Verwandtschaft ins Haus, Schwiegereltern, Schwager und Schwägerin,
zu deren Besuchszeiten man sich nur schleunigst auf sein Rad schwingen kann,
um sofort ins Weite zu entfleuchen.
Wie heißt es: Gedenkst du die Tochter zu mählen, wirf vorher einen Blick auf die Mutter.
Gilt auch für Falträder.
Und Söhne. Und Väter.
Tern
An das Tern erinnere ich mich hauptsächlich wegen dieser exorbitanten Prallplatte,
mit der man den Lenker höhenverstellen kann.
Zuerst dachte ich an einen Metall-Airbag,
der sich einem ins Gesicht schleudert,
wenn man aus der Spur kommt.
Dann konnte ich die Finger nicht mehr davon lassen
und habe unentwegt an der Klappe herumgespielt,
so angetan war ich davon.
Nein, ehrlich, meistens schaue ich ja beim Radeln in die Landschaft,
aber praktisch dauernd diese monströse Blechklappe vor Augen zu haben,
hätte mich doch gehörig irritiert.
Das Tern hatte auch einen Kettenschutz.
Der sah aus wie diese wandeingemauerten Faltenrohre, worin die Elektriker ihre Leitungen reinziehen.
Dieser Kabelkanal war nun nicht geschlossen,
sondern hatte einen Schlitz.
Nun kommt es vor,
dass ich Feldwege fahre,
durch ganz baatziges Zeug
und mein Mann spritzt hinterher mit dem Wasserschlauch all die Erde ab,
die an Kette und Zahnkranz hängengeblieben ist.
Da dachte ich mir,
dass das eine automatische Schmirgelanlage für blanke Glieder ist zur Erzeugung hochglänzender Schmuckketten, so wie man ja auch schnöde Kiesel zu glatten Trommelsteinen herausputzt.
Wahrscheinlich aber war der Schlitz im Schutz,
damit man das Faltenrohr von der Kette abziehen
und dann beides bequem reinigen kann.
Da ich aber nicht nach jeder Regen- oder Schlammfahrt
den Kettenschutz demontieren (lassen) will,
hat sich das Tern aus dem engeren Kreis verabschiedet.
Ansonsten war auch hier das Fahren unauffällig.
Was mir aber aufgefallen ist, so beim googeln,
ist diese Bolzen-Geschichte.
Und ich habe mich gefragt, ob, wenn der Sohn sich vom Vater im Streit scheidet,
also ob diese Bolzensache, darin ja auch eine Verbindung gewaltsam unterbrochen wird,
nun nur zufällig oder gar symbolisch zu deuten ist.
Die Kenner von Synchronizitäten werden hier natürlich sofort Zusammenhänge erblicken.
Ich weiß aber nicht, ob man die Bolzen wirklich generalisieren darf,
aber grundsätzlich glaube ich,
dass es einen Unterschied macht,
ob ich ein Fahrrad im Zorn zusammenschraube
oder mit allem Wohlwollen und Wohlgefühl,
über das ich verfüge.
Deswegen bin ich sehr für's Selbermachen,
bzw. für's Selbermachenlassen. (Schatzi!)
Man könnte auch sagen: Liebe ist die ultimative Qualität.
sobald man ein Faltrad sein eigen nennt.
Man kann sich kaum noch an das jungfräuliche Herantasten erinnern,
an den Neuling, der man noch vor kurzem war;
und der ganze Blickwinkel des neugierigen Interessenten verschiebt sich
in die Routinen des Selbstverständlichen,
in die Wiederholung und das Wiederkäuen dessen,
was man schon immer gesagt, gedacht, getan hat.
Eingeschworener Markenbotschater ist man,
als ob es gälte, Reviere abzustecken und zu verteidigen.
Noch bin ich nicht soweit,
fühle aber schon die kommende Expertin in mir,
und möchte daher noch schnell in aller Unschuld
meine Ersteindrücke festhalten für diejenigen,
die sich wie ich an faltbare Mobilität herantasten.
Gänzlich unqualifiziert ist das,
was ich jetzt schreibe, nicht,
auch wenn die alten Recken ihren gewaligen Erfahrungsschatz
und schwer ersessenen Besitzerstolz gegenreden werden,
dieweil ich mich an des Vaters Worte halte:
'Du musst die Flasche nicht austrinken, um zu merken, ob Dir der Wein schmeckt.'
Ich finde, Probefahren liefert schon eine Menge Informationen.
Man kommt rum, plaudert mit vielen Menschen und dreht kostenlose Runden.
Ich würde Probefahren sogar denen empfehlen,
die gar keine Kaufabsicht haben: Ist wesentlich unterhaltsamer, als ins Kino zu gehen.
Nun denn.
Brompton
Ich bin sechs Bromptons probegefahren, in verschiedenen Farben, aber nur zwei Schaltungsausführungen: 3- und 6-Gang. Ersteres war ok, letzteres völliger Anachronismus: Mit einer Art Wipp-Konstruktion muss man runterschalten um hochzuschalten und umgekehrt. Ich bin ständig im falschen Gang gefahren und habe dann überhaupt nicht mehr die Gänge gewechselt.
Das Brompton war das erste Klapprad, das ich gefahren bin und ich war baff überrascht, dass man damit tatsächlich fahren kann: Man tritt und kommt voran! Daher ist das Brompton, wie die erste Liebe, bleibender Sympathieträger.
Das Brompton hat vorne am Steuerrohr einen Adapter, daran man eine Tasche einhängen kann. Ich habe dasselbe Prinzip an meinem Hauptrad und finde es oberpraktisch. Alles, was man so mitschleppt, wirft man dort einfach rein und nimmt es wieder heraus nach Bedarf. Man hat seine Siebensachen immer im Blickfeld und mit einem Klick ist die Tasche unter dem Arm. Lange war ich dem Brompton sehr gewogen, nur wegen dieser Transportoption.
Das Brompton läßt sich gut falten und nimmt vergleichsweise wenig Platz ein. Es benötigt keinen Seitenständer, weil sich der Hinterbau in nullkommnix einklappen läßt. Das ist prima.
An allen sechs Bromptons hatte das Lenkkopflager Spiel. Wenn man die Vorderradbremse angezogen hat, hat das Vorderrad hin- und hergenaggelt.
Das Brompton fährt sich schlecht. Das habe ich erst gemerkt, als ich andere Räder gegengeradelt bin: Dieselbe Strecke einmal mit Brompton, einmal mit xy. Da ist meine Brompton-Euphorie merklich abgeklungen und ich habe überlegt, wofür ich ein Klapprad wirklich brauche. Zum Falten oder zum Radfahren?
Das Brompton hat Stil, schaut aber aus der Nähe nicht wertig aus, sondern billig, kostet jedoch reichlich. Es hat Charakter, wirkt aber plüschig und alt. Esprit finde ich an ihm nicht.
Ich frage mich, warum die GrandeNation der Radfahrtradition kein ordentliches Faltrad zustande bringt. Oder die Italiener mit ihrem Faible für Design und großartigen Entwürfen auf dem Automobilsektor und in der Mode.
Unabhängig von Technik und Fahren habe ich mich dann gefragt: Paßt das Brompton zu mir? Bin ich ein Brompton-Typ? Werde ich mich darauf wohlfühlen, werde ich mich auf Ausfahrten freuen?
Ich habe mir dann die Videos der Brompton-Challenge angeschaut und die vor Anstrengung verzerrten Gesichter der Protagonisten, die nur freudestrahlend lächeln, wenn ihnen eine Kamera vor das Haupt schlägt und insgesamt dachte ich: Das sind unglücklich strampelnde Menschen. Die leiden an ihren Bromptons und an der unsäglichen Mühe fremdauferlegter Mobilitätszwänge. Die fahren, weil sie müssen, nicht, weil sie wollen.
Dann bin ich mit einem Brompton in eine Straßenbahnschiene gekommen und habe mir gesagt: Ich brauche was mit dicken Reifen. Das war's dann.
Bernds
Das Bernds war das Rad, das sich von allen Falträdern am besten fahren ließ.
Ich habe praktisch keinen Unterschied zu meinem Hauptrad bemerkt.
Das Bernds hat so dicke Reifen, da können einem Schienen aller Art egal sein.
Es war schwer und lag satt auf der Straße.
Das Kurvengefühl war das Gegenteil vom Brompton, wo man denkt, gleich kippt man um.
Kein Schlingern, kein Zittern, kein Wackeln.
Alles fest und solide.
Faltrad-Fahren hat mir mit dem Bernds am besten gefallen.
Es ist exorbitant teuer, hätte dort im Laden 2800 Euro gekostet
und wirkte auf mich insgesamt völlig unästhetisch.
Andersherum: Ich finde das Bernds klobig, wuchtig und häßlich.
Nie im Leben würde ich das in seiner technischen Anmutung wohl auf eine bestimmte Zielgruppe hin entworfene Faltrad, ich tippe: Männer, stolz meinen Freundinnen vorführen wollen. Ich würde mich schämen. Designpunkte: Null.
Ich hatte das Bernds auch im Kofferraum und dachte mir: Gut, Zahnbürste und Scheckkarte kriegt man noch mit. Das Bernds nimmt viel Platz ein.
Ich habe mit dem Bernds kurz geliebäugelt, weil es ein hiesiges Erzeugnis ist und ich den Herrn Bernds von den Videos her ganz sympathisch fand;
und ich überlege schon, wo mein Geld hingeht und wen ich mit einem Kauf unterstütze und wen nicht.
Aber: Mir müssen die Dinge gefallen, die ich erwerbe und das Bernds gefällt mir nicht.
Pegasus
Das Pegasus bin ich auch gefahren, aber nicht richtig und nur auf Teppich.
Die haben da oben einen riesigen Ausstellungsraum, da kann man im Kreis herumfahren und immer klimatisiert und dazu regengeschützt.
Ich habe mir unabhängig vom Rad gesagt: In solchen Verkaufsräumen kaufst Du nichts.
Das war irgendwie wie beim Hamburger-Bräter.
Alles sofort zum Mitnehmen und alles praktisch irgendwie identisch.
Das Pegasus hätte nur 299 Euro gekostet und kurz habe ich überlegt,
ob es nicht sinnvoll wäre,
erst mal wenig zu investieren und zunächst mal Erfahrungen zu sammeln.
Später könnte man sich dann gezielt dem Wunschobjekt nähern.
Ich habe auch diesen Gedanken verworfen und dem Pegasus nicht mal bei einer ordentlichen Probefahrt Gelegenheit gegeben, sich zu beweisen.
Ich weiß gar nicht mehr, mit welchen Vorurteilen ich mich dem Pegasus genähert habe.
Vielleicht hat mich nur geärgert, dass man den schönen Namen 'Pegasus' mit seinem tiefen Mythos für solch ein popeliges Klapprad verwenden muss.
Das Fahren auf Teppich ist übrigens ziemlich lautlos. Dafür hört man dann die Quietschgeräusche von Kette, Bremsen und Rädern überdeutlich heraus. Ich dachte mir, ich fahre jetzt Probe nur noch auf Teppich: Nur da hört man, was die Straße ansonsten verschluckt. Ein echter Qualitäts-Test.
Das Pegasus gibt es in schwarz und silber.
Dahon
Ich bin zwei Dahon gefahren.
Eines mit Naben-, eines mit Kettenschaltung.
Ging gut.
Ich bin problemlos ums Karree gekommen.
Das Dahon bin ich erst spät in der Abfolge der Proben gefahren
und ich glaube, dass ich mich zu diesem Zeitpunkt innerlich und unbewußt bereits für eine andere Marke entschieden hatte und dem Dahon daher mit mangelnder Aufmerksamkeit begegnet bin.
Ich habe mir dann gedacht, dass es von ausschlaggebender Bedeutung ist,
in welcher Reihenfolge man seine Probefahrten unternimmt und keineswegs beliebig.
Ich kann daher allen Interessenten nur raten,
nicht einfach wahllos draufloszuradeln,
sondern vorab genau zu planen,
mit welchen Rädern man beginnt und mit welchen man endet.
Denn unsere Wahrnehmungen und Urteile und Entscheidungen färben sich bereits ein durch die Rhythmen und Strukturen, in denen die Dinge präsentiert werden und nicht allein durch die Dinge selbst.
Das weiß jeder, der schon mal den Finger vom warmen ins kalte Wasser getaucht hat und umgekehrt. Wasser und Wärme sind niemals einfach nur eine Gradzahl und ein molekularer Zustand. (Deswegen sind auch die ganzen Entfaltungsberechnungen nachrangigen Aspektes.)
Grundsätzlich gilt: Der Ersteindruck erhält überproportional viel Gewicht, da mag alles Nachfolgende besser sein, das Erste behält seinen Bonus.
Das wirkt sich, klar, finanziell aus.
Also legt sich der kluge Käufer das Teure nach hinten.
Von den Dahons ist mir also nicht viel in Erinnerung,
nur dass sich beide butterweich schalten ließen und ich ob dessen überrascht war.
Nicht gefallen hat mir der mittige Klappmechanismus, also mehr das Mittige als der Mechanismus selbst.
Das eine Dahon sah ganz schnittig aus, nach mattem Edelstahl irgendwie und ich dachte mir,
da kannst du damit nicht fahren. Schließlich hat man seriöse Ansprüche an sich, man ist ja kein junges Mädel mehr.
Beide Dahons hätten um die 500 und 800 Euro gekostet.
Ich empfand sie als völlig unauffällig und dachte mir,
dass das wahrscheinlich ganz brauchbare Alltagsräder wären,
auch wenn das Faltmaß bei weitem nicht an das Brompton hingereicht hätte.
Ich finde, dass sich 'Dahon' im Deutschen lautmalerisch schlecht aussprechen läßt.
Die Endsilbe wird guttural verschluckt bis ins Unverständliche und ich habe mir die zahlreichen Nachfragen ausgemalt: 'Was fährst Du noch mal?', sobald ich stolz verkünde: 'Ich hab' jetzt ein Daoon!', oder: 'Ich hab' jetzt ein Daooon dahoam.'
Ich dachte mir, das tust du dir nicht an.
'Brompton', da ist immerhin Schwung und Kraft in der Stimme,
aber 'Daooon', das verschwindet in Unscheinbarkeit.
Wie der Name, so das Rad, sagte ich mir und habe mich umentschieden.
Birdy
Nach dem Brompton bin ich ein Birdy gefahren und das war wie eine Offenbarung.
Wenn das Brompton ein Hollandrad ist, ist das Birdy ein MTB.
Eine Offenbarung war dann auch ein Blick in die Preis- und Aufpreisliste und ich sagte mir,
sowas kriegen nur die Deutschen zustande, weil ich mich an den ersten Japaner meines Vaters erinnerte, der all das schon drin hatte, was es bei Benz und BMW nur mit Aufschlag gab.
Ich habe auch gelesen,
dass der Hersteller nur über seine Händler kommunizieren würde und Anfragen unbeantwortet blieben.
Eine Firma, dachte ich mir, die sich ihre Kunden so auf Distanz halten will,
ob das die richtige Adresse ist?
Ich finde Information, Service und Kontakt sind wichtig.
Das haben nicht nur die Geheimdienste aller Welt kapiert,
sondern auch ich.
Wer mir die Türen schließt, daran gehe ich vorbei.
Ich bin nach dem Birdy zu Besuch beim Pegasus gewesen;
solche Nähe ist dem Pegasus gar nicht gut bekommen.
Man kann dem Birdy schon ansehen,
worin man sein Geld versenkt.
Der simpel und großzügig höhenverstellbare Lenker etwa,
der das Birdy zum Familienrad macht,
ist etwas, wofür ein Ingenieur nicht sooo viel Grips braucht.
Warum gibt es sowas also nur beim Birdy?
Oder die schwungvolle Zeichnung des Rahmens?
Ist das Ding nicht kess?
Hat sich der Konstrukteur nicht etwas dabei gedacht?
Ist das Birdy nicht eigentlich ein echter Entwurf?
Eine realisierte Idee, mehr als eine bloße Zusammenstückelung von Baukastenteilen?
Ja, das Birdy hat was.
Es sind eher die Rahmenbedingungen,
der Zwangsaustausch von Bauteilen,
die Zwangsinspektionen im Zusammenhang mit Garantieansprüchen,
es geht immerhin um Fahrräder und nicht um Castor-Behälter,
die mir Riese und Müller unsympathisch machen.
Und die Preise natürlich.
Dafür hat mir das Video gefallen,
darin der Konstrukteur auf einem Parkplatz peinliche BMX-Runden dreht,
vergeblich versucht, das Vorderrad einigermaßen in der Luft zu halten
und außer ovalem Kreisen eigentlich nichts zu Wege bringt.
Aber immerhin: Es menschelt.
Was mir das Birdy auch sympathisch macht: Der Hass derer, die es nicht mögen.
Ist eine alte Trotzreaktion: Mir gefällt sofort, was allen anderen nicht gefällt.
Auf youtube findet man dazu ganz hinterfotzige Sachen.
Da tut mir dann sogar der Hersteller leid, weil das ist unfair.
Ich habe auch überlegt,
dass es möglicherweise für den Kunden von Vorteil ist,
wenn ein Hersteller, statt zwanzigfacher Modellpalette mit entsprechender Ersatzteilbeschaffungsbevorratungsnotwendigkeit,
eher ein reduziertes Angebot präsentiert.
Überschaubar und kontingent.
Das Birdy fährt sich gut, die Federung neutralisiert den Effekt der kleinen Räder ins Unauffällige,
auch die Faltung ist handhabbar in Modus und Zustand.
Es fährt sich agil, fast überwendig.
Insgesamt wäre das Birdy die gute Mitte der Falträder.
Nirgendwo, weder im Faltmaß, noch im Fahren Extraklasse,
in Summe aber wiederum einzigartig.
Leider wie oft im Leben,
holt man sich mit dem ansehnlichen Gatten, der vorzüglichen Gattin zugleich auch eine Verwandtschaft ins Haus, Schwiegereltern, Schwager und Schwägerin,
zu deren Besuchszeiten man sich nur schleunigst auf sein Rad schwingen kann,
um sofort ins Weite zu entfleuchen.
Wie heißt es: Gedenkst du die Tochter zu mählen, wirf vorher einen Blick auf die Mutter.
Gilt auch für Falträder.
Und Söhne. Und Väter.
Tern
An das Tern erinnere ich mich hauptsächlich wegen dieser exorbitanten Prallplatte,
mit der man den Lenker höhenverstellen kann.
Zuerst dachte ich an einen Metall-Airbag,
der sich einem ins Gesicht schleudert,
wenn man aus der Spur kommt.
Dann konnte ich die Finger nicht mehr davon lassen
und habe unentwegt an der Klappe herumgespielt,
so angetan war ich davon.
Nein, ehrlich, meistens schaue ich ja beim Radeln in die Landschaft,
aber praktisch dauernd diese monströse Blechklappe vor Augen zu haben,
hätte mich doch gehörig irritiert.
Das Tern hatte auch einen Kettenschutz.
Der sah aus wie diese wandeingemauerten Faltenrohre, worin die Elektriker ihre Leitungen reinziehen.
Dieser Kabelkanal war nun nicht geschlossen,
sondern hatte einen Schlitz.
Nun kommt es vor,
dass ich Feldwege fahre,
durch ganz baatziges Zeug
und mein Mann spritzt hinterher mit dem Wasserschlauch all die Erde ab,
die an Kette und Zahnkranz hängengeblieben ist.
Da dachte ich mir,
dass das eine automatische Schmirgelanlage für blanke Glieder ist zur Erzeugung hochglänzender Schmuckketten, so wie man ja auch schnöde Kiesel zu glatten Trommelsteinen herausputzt.
Wahrscheinlich aber war der Schlitz im Schutz,
damit man das Faltenrohr von der Kette abziehen
und dann beides bequem reinigen kann.
Da ich aber nicht nach jeder Regen- oder Schlammfahrt
den Kettenschutz demontieren (lassen) will,
hat sich das Tern aus dem engeren Kreis verabschiedet.
Ansonsten war auch hier das Fahren unauffällig.
Was mir aber aufgefallen ist, so beim googeln,
ist diese Bolzen-Geschichte.
Und ich habe mich gefragt, ob, wenn der Sohn sich vom Vater im Streit scheidet,
also ob diese Bolzensache, darin ja auch eine Verbindung gewaltsam unterbrochen wird,
nun nur zufällig oder gar symbolisch zu deuten ist.
Die Kenner von Synchronizitäten werden hier natürlich sofort Zusammenhänge erblicken.
Ich weiß aber nicht, ob man die Bolzen wirklich generalisieren darf,
aber grundsätzlich glaube ich,
dass es einen Unterschied macht,
ob ich ein Fahrrad im Zorn zusammenschraube
oder mit allem Wohlwollen und Wohlgefühl,
über das ich verfüge.
Deswegen bin ich sehr für's Selbermachen,
bzw. für's Selbermachenlassen. (Schatzi!)
Man könnte auch sagen: Liebe ist die ultimative Qualität.